der Markt


Schauen wir uns noch einmal den Handelsprozess von Sophie genauer an. Sophie hat mit viel Arbeit ein paar Kohlköpfe geerntet und möchte diese gegen eine neue Schaufel für ihre Arbeit eintauschen. Mit der Schaufel kann sie die Garten- und Feldarbeit viel einfacher durchführen. Generell muss Sophie also ersteinmal jemanden finden, der ihr die Kohlköpfe für Geld abkauft und dann kann sie mit dem Geld die Schaufel vom Schmied kaufen.

Wenn Sophie jetzt aber jeden Tag auf den Feld oder Zuhause arbeitet, dann findet sie eventuell keine Tauschpartner, die ihr die Kohlköpfe abkaufen wollen. Historisch haben sich deswegen Märkte gebildet. Märkte sind Orte, an denen die Menschen zusammen kommen und gegenseitig Waren oder Dienstleistungen gegen Bezahlung austauschen. Für die anderen Dorfbewohner macht es auch relativ wenig Sinn, jeden Tag bei Sophie vorbei zu schauen um vielleicht einen Kohlkopf kaufen zu können. Die meiste Zeit des Jahres hat Sophie keine Kohlköpfe anzubieten weil diese nur je nach Jahreszeit reif werden. Und selbst wenn es gerade Kohlkopfzeit ist wissen die Dorfbewohner ja nicht, ob Sophie diese Kohlköpfe auch verkauft oder ob Sophie diese selber essen will oder an Freunde verschenkt hat.

Wenn Sophie die Kohlköpfe also verkaufen will, dann bringt sie die Kohlköpfe auf einen Markt. Dort können alle anderen Dorfbewohner die Kohlköpfe bewerten und bei bedarf auch kaufen. Sophie als Verkäufer bewertet ihre Kohlköpfe natürlich auch selber. Sie weiß wie viel Arbeit es gekostet hat einen Kohlkopf großzuziehen, also die Pflanze auszusäen, zu bewässern und vor Schädlingen oder Fressfeinden wie Schnecken zu schützen. Außerdem möchte sie ja von dem Erlös eine Schaufel kaufen. Sophie setzt sich also, ob bewusst oder unbewusst, ein minimalen Verkaufspreis für die Kohlköpfe, die möglichst alle Kosten für die Kohlköpfe einbringt. Dann kommt sie auf dem Markt und stellt ihre Ware aus. Die Käufer können nun die Kohlköpfe selber bewerten und sich individuell fragen, wie viel Geld sie für diese Kohlköpfe ausgeben würden. Denn auch die Käufer haben für ihr Geld gearbeitet und müssen überlegen wie viel ihrer Arbeitszeit sie bereit sind für den Tausch abzugeben.

Preisfindung eines Handels

Wenn Claudia sich für die Kohlköpfe interessiert, dann hat sie, genauso wie Sophie bewusst oder unbewusst, sich eine Preisschranke gesetzt, über der Claudia nicht mehr bereit ist den Kohlkopf zu kaufen. Diese Preisschranke hängt von sehr vielen Faktoren ab, z.B. wie viel Geld Claudia aktuell dabei hat und wie viel Geld sie generell besitzt, wie groß ihr Appetit auf Kohl ist, welche Qualität und Größe der Kohlkopf hat oder welche Arbeit Claudia mit dem eigenem Anbauen von Kohlköpfen hätte. Aber auch beliebig andere mögliche Faktoren können eine Rolle spielen.

Sagen wir, Sophie hat sich unausgesprochen festgelegt, dass ein Kohlkopf nicht unter 30 Münzen verkauft werden kann, dann hängt es von den Preisvorstellungen von Claudia ab, ob es zu einem Handel kommen kann. Wenn Claudia nicht über 25 Münzen einen Kohlkopf kaufen würde, dann hält sie Sophies Angebot für zu teuer und wird wohl kein Kohl kaufen. Wenn Claudia aber bis zu 50 Münzen ausgeben würde, dann kann der handel stattfinden.

Um den genauen Preis festzulegen kommt es normalerweise zum Feilschen was bedeutet, dass sowohl Sophie als auch Claudia um den aus ihrer Sicht besten Preis verhandeln. Dabei nennt Sophie ersteinmal einen viel zu hohen Preis während Claudia einen viel zu niedrigen Preis veranschlagt. Beide gehen mit ihren Preisvorschlägen dann aufeinander zu und wo sie sich Treffen wird der Preis festgelegt. Sophie schlägt z.B. einen überteuerten Preis von 100 Münzen vor während Claudia mit nur lächerlichen 10 Münzen gegenhält. Sophie verringert ihren Preis dann solange, bis entweder Claudia den Handel akzeptiert oder Sophie ihre untere Preisschranke erreicht, unter derer sie nicht mehr verkaufen möchte. Genauso geht Claudia mit ihrem Preis immer weiter hoch bis Sophie den Handel akzeptiert oder Claudia ihren Maximalpreis erreicht hat über dem sie nicht mehr kaufen möchte. Nur wenn sich Sophie und Claudia mit dem Preis geeinigt haben kommt es zu dem Warenaustausch.

Ein erfolgreiches Feilschen wäre dann z.B.
Sophie 100 75 50 40 37
Claudia 10 20 30 35 37

In diesem Beispiel würde der Handel bei 37 Münzen stattfinden können. 37 ist über Sophies Minimalpreis von 30 Münzen und unterhalb von Claudias Maximalpreis von 50 Münzen. Sophie und Claudia sind sich also einig geworden und können den Tausch durchführen. Beide haben in diesem Fall durch den Tausch an Lebensqualität gewonnen. Sophie hat 7 Münzen mehr bekommen als veranschlagt und kann sich ihre Schaufel jetzt mit weniger Kohlverkäufen leisten. Und alles Geld, was sie über dem Schaufelpreis einnimmt kann sie für beliebige andere Dinge ausgeben, ganz nach ihrem eigenem Belieben und wie es ihr Spaß macht. Aber auch Claudia hat durch den Handel gewonnen weil sie den Kohl billiger als veranschlagt bekommen hat. Claudia hat durch den Handel 13 Münzen eingespart, die auch sie nun für andere Dinge ausgeben kann anstatt sich um ihr Essen kümmern zu müssen.

Es ist auch möglich, dass die Marktteilnehmer das Feilschen weglassen und Sophie einen festen Preis für ihre Kohlköpfe angibt. Dann hat Claudia als Käufer zwar nur noch die Möglichkeit zu entscheiden, ob sie den Preis akzeptiert oder eben nicht kauft, aber das Endergebnis bleibt das Gleiche. Die Differenz zwischen Claudias Maximalpreis und ihrem tatsächlich bezahlten Preis ist der Gewinn für Claudia und genauso ist die Differenz zwischen Minimalpreis und tatsächlich erhaltenem Geld der Gewinn für Sophie. Beide Handelspartner gewinnen also bei dem Verkauf weil beide von den Warenaustausch profitiert haben. Claudia hätte die Kohlköpfe nicht selber so gut züchten können und Sophie kann sich durch ihre Arbeit mehr leisten als sie in ihre Arbeit gesteckt hat. Aber Sophie hat durch ihre Erfahrung auf dem Feld deutlich weniger Arbeit in die Kohlköpfe gesteckt als Claudia dies für die gleichwertigen Kohlköpfe hätte tun müssen. Darin liegt der Gewinn für beide durch den Handel.

Sollte aber die Preisvorstellung für Claudia nicht akzeptabel sein, also wenn Sophie z.B. nicht unter 50 Münzen verkaufen kann, weil sie sonst selber zu viel Geld in den Kohl gesteckt hat, dann bekommt Sophie ökonomische Probleme. Dann kann es sein, dass sie mit Verlust verkaufen muss bevor die Kohlköpfe schlecht werden. Genauso wie Claudia Probleme bekommt, wenn alle Nahrungsmittel über ihrer Preisvorstellung liegen und sie sich deswegen weniger leisten kann. Solange aber Sophie oder Claudia über längere Zeit Verlust machen, solange schwinden auch ihre jeweiligen Vorräte an Geld, Essen und sonstigen Dingen, die man für das Leben benötigt. Sollten sie es also nicht mehr schaffen mehr Gewinne einzufahren als sie verbrauchen, dann gehen ihnen früher oder später die Vorräte aus. Ihre Machtreserven schwinden langfristig was dramatische Folgen haben kann.

Generell sind an Märkten zwei gegenläufige Phänomene zu beobachten, die den Preis beeinflussen. Der wirklich bezahlte Preis, den Sophie mit Claudia ausgehandelt hat, hängt sehr stark davon ab, in welcher Zwangslage sich beide zum Zeitpunkt der Verhandlung befinden. Wenn es auf dem Markt noch viele weitere Stände mit Kohlköpfen gibt, dann bringt das Sophie in eine Zwangslage, weil Claudia einfach sagen kann: "Nagut, wenn du hier so teuren Kohl anbietest, dann gehe ich eben zu deinem Nachbarn und kaufe den Kohl dort." Das bedeutet, dass Sophie nicht nur den besten Preis gegen Claudia verhandeln muss, sondern auch noch in Konkurrenz zu ihren Nachbarständen steht. Während sie also mit Claudia verhandelt, verhandelt Sophie indirekt auch mit allen anderen Kohlverkäufern aber auch anderen Gemüseanbietern auf dem Markt. Denn Claudia könnte sich auch mit billigeren Möhren oder Radieschen zufrieden geben anstatt den teuren Kohl von Sophie zu kaufen.

Generell verkauft Derjenige den meisten Kohl, wer den Kohl auch am billigsten anbieten kann. Das senkt den Preis für Claudia, die sich zwischen den Händlern beliebig entscheiden kann und somit auch die billigsten oder qualitativ hochwertigsten Kohlköpfe aussuchen kann. Aber auch die anderen Händler können wie Sophie nicht beliebig mit dem Preis herunter gehen, denn auch jeder andere Kohlhändler hat einen minimalen Verkaufspreis, unterhalb dessen ein Verkauf generell für Verlust sorgt. Auch wenn die Händler sich gegenseitig unterbieten müssen damit Claudia zu ihnen kommt, können sie den Preis nicht beliebig absenken.

Markt Profitabilität

Sollte es also ein großes Angebot für den Kohl geben, dann wird der Preis des Kohls relativ schnell auf etwas oberhalb der Herstellungskosten abfallen. Der Verkäufer benötigt den Herstellungspreis um seine Ware, hier den Kohl, überhaupt herstellen zu können. Das beinhaltet alle Werkzeuge, Arbeitszeiten und Lebensmittel oder Energiekosten für die Arbeiter oder auch Vorprodukte wie Dünger oder Wasser. Alles Geld, was der Verkäufer über diese Herstellungskosten einnehmen kann ist der Gewinn für den Händler den er für sich selber beliebig nutzen kann um seine eigenen Interessen und Bedürfnisse zu befriedigen. Und die Händler, die am wenigsten Aufwand für den Kohl hatten, also die am effektivsten oder kostengünstigsten den Kohl herstellen konnten, die können auch die niedrigsten Preise anbieten oder profitieren von den gezahlten Preisen am Markt am meisten.

Anders sieht es aber aus, wenn Sophie die Einzigste auf dem gesamten Markt ist, die Kohl anbietet aber viele Menschen gerade Kohl kaufen wollen. Dann ist nämlich Claudia in der Zwangslage gegen all die anderen Käufer zu konkurrieren. Jeder der Käufer möchte natürlich den geringsten Preis, aber bevor sie überhaupt kein Kohl bekommen überbieten sie sich lieber Gegenseitig bis zu ihrer maximalen Obergrenze. Und der Käufer mit der höchsten maximalen Obergrenze im Preis wird dann wohl den Zuschlag von Sophie erhalten. Sophie als einzigster Verkäufer profitiert natürlich von möglichst hohen Preisen. Wenn sie den Andrang auf ihre Kohlköpfe bemerkt, dann wird sie die Verhandlung über den Preis wohl deutlich höher ansetzen, einfach weil sie bemerkt dass die Käufer auch deutlich mehr für ihre Ware bezahlen können.

Generell gibt es auf einen Markt zwei gegenläufige Effekte: Angebot und Nachfrage regeln den Preis.

  • Steigt die Nachfrage, dann steigt der Preis. Die vielen Käufer müssen sich um eine begrenzte Ware selber überbieten und Sophie profitiert von den höheren Preisen.
  • Singt die Nachfrage, dann sinkt der Preis. Es gibt immer weniger Käufer die sich eben nicht mehr überbieten. Sophie kann mit Preissenkungen vielleicht noch weitere Käufer finden die den Kohl sonst garnicht gekauft hätten bevor er verdirbt.
  • Steigt das Angebot, also kommt z.B. ein anderer Kohlverkäufer auf den Markt, dann sinkt der Preis. Sophie bekommt Konkurrenz, die sie im Preis unterbieten kann und ihr somit Kunden wegnimmt.
  • Singt das Angebot, also gibt es viele Käufer die Sophies Kohlköpfe schon weg gekauft haben, dann steigt der Preis. Sophie kann sich somit ziemlich sicher sein, dass ihre Kohlköpfe alle gekauft werden und bevor sie alle weg sind kann sie die Preise nocheinmal anheben.

Dabei mag es vielleicht Interessant sein zu verstehen warum jemand für welchen Preis einen Kohlkopf kauft oder verkauft, für den Markt und die generellen Preise ist es aber lediglich wichtig, wie hoch der generelle Bedarf an der Ware ist. Für den Marktpreis spielt es keine Rolle ob jemand den Kohl kauft um ihn zu essen oder ob jemand gemein ist und den Kohl anderen wegkauft um ihn im Kamin zu verheizen. Solange der Kohl gekauft wird, egal wofür und welche Bedürfnisse damit gestillt werden, solange gibt es auch eine Nachfrage an dem Kohl. Sophie als Verkäufer bietet ein Angebot und wenn es eine Nachfrage gibt, dann kann Sophie ihren Lebensunterhalt bekommen indem sie diese Nachfrage mit ihrem Angebot erfüllt. Solange Menschen bereit sind ihre eigenen Werte für irgendetwas auszugeben, solange können andere Menschen Leben indem sie die diese Bedürfnisse der Anderen befriedigen. Erst wenn überhaupt kein Mensch mehr Kohl essen will, dann kann Sophie nicht mehr von ihrem Angebot leben. Dann muss Sophie sich eine andere Arbeit suchen für die andere Menschen bereit sind ihre Werte auszugeben.

Die Ökonomie beschäftigt sich generell mit diesem Problemen: Was ist Wert? Warum verändern sich Preise und wie kann man in die Märkte lenkend eingreifen? Um diese Fragen zu beantworten muss man sich die komplexen Systeme anschauen, analysieren und verstehen wie sie funktionieren. Ziel ist dann die Erstellung eines Modells, was das Wirtschaftssystem beschreibt und das bestenfalls noch vorhersagen treffen kann, wenn man einige Parameter des Modells ändert.

Am Beispiel von Sophies Kohlverkauf habe ich gezeigt, welche Entscheidungen und äußere Effekte einen Einfluss auf die Preisfindung haben können. Wenn man weiß warum die Menschen Kohl kaufen, dann kann man versuchen den Bedarf an Kohl vorherzusagen und somit auf den zukünftigen Preis spekulieren. Da es aber so viele unterschiedliche Möglichkeiten gibt, wie die Menschen sich verhalten ist es nahezu unmöglich genaue Vorhersagen treffen zu können. Beispielsweise kann es einen Einfluss auf Sophies Kohlverkauf haben, wenn ein anderer Händler Möhren anbietet weil die Käufer dann genauso mehr Angebot an Gemüse haben. Es gibt immer eine hochkomplexe Abhängigkeit vom Kohlverkauf zu allen anderen Wahren und Dienstleistungen der Menschen. Einfach weil jeder Mensch einzigartig ist und seine eigenen Entscheidungen trifft die nicht immer eindeutig vorhersagbar sind. Die Ökonomie versucht somit, zwischen all den einzelnen individuellen Entscheidungen zusammenhänge zu erkennen und systematische oder statistische Effekte herauszuarbeiten.



Werbung:




Werbung:
Diese Seite wurde erstellt von DasPie.
Letztes Update: 03.Oct.2024