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Sophies Dorf ist jetzt so groß geworden, dass sie selber keinen kompletten Überblick mehr über alle Einwohner bekommen kann ohne sich noch selber um ihre eigene Arbeit auf dem Feld kümmern zu können. Aber jeder dieser Dorfbewohner hat auch einen eigenen freien Willen, genauso wie Sophie. Deswegen hat sich in dem Dorf recht schnell der Tauschhandel etabliert. Einfach weil jeder irgendwelche Waren benötigt, die ein anderer besser und schneller herstellen kann als man selbst. Und jeder ist ein eigener Spezialist in seinem Fachgebiet und kann die selber hergestellten Waren den Anderen zur Verfügung stellen. Dafür bekommt er die anderen begehrten Gegenstände, die er nicht in der angebotenen Qualität oder Geschwindigkeit selber herstellen kann. Um den Tauschhandel zu vereinfachen, haben sich die Dorfbewohner darauf geeinigt Muscheln als Geld zu verwenden. Der Vorteil des Muschelgeldes war naheliegend. Denn während Sophie vor der Einführung des Geldes in der großen Gemeinschaft darauf warten musste, dass der Dachdecker hunger auf 50 Kohlköpfe haben musste oder an 50 Tagen Kohlköpfe essen wollte wenn Sophie die Lieferzeit vergrößern konnte, so konnte Sophie mit dem Geld die Kohlköpfe an beliebige Menschen verkaufen und den Dachdecker einfach mit dem Geld bezahlen. Mit dem Geld spielt es also keine Rolle mehr, welchen Beitrag man für das Dorf geleistet hat. Das Geld beweist lediglich, dass man überhaupt einen Beitrag geleistet hat, den ein Dorfbewohner mit seinem Geld honoriert hat, denn ansonsten hätte Sophie das Geld nicht bekommen. Damit muss man den Anderen nicht mehr so genau kennen, für den Handel reicht es einen festen Nachweis der fair übertragenen Macht zu haben. Die Muscheln als Geld haben jedoch nicht nur Vorteile sondern auch einige Nachteile. Zum einen sind Muscheln auch nur Skelette von Lebewesen, die sich alle wenigstens ein wenig voneinander unterscheiden. Muscheln können also in ihrer Farbe, Form und Größe oder in ihrem generellem Aussehen unterschiedlich gestaltet sein. Jetzt müssen sich die Dorfbewohner wieder einigen: wird jede Muschel als gleichwertig angesehen auch wenn sie sich in Wahrheit deutlich voneinander unterscheiden? Was ist wenn eine Muschel einmal zerbricht? Oder bekommt man für größere und strahlendere Muscheln auch mehr Gegenwert? Zum Anderen sind Muscheln relativ leicht herstellbar. Natürlich benötigt es eine gewisse Zeit zum Strand zu gehen, die Muscheln zu finden, zu sammeln und zu säubern. Aber wenn Sophie alleine durch das Muscheln Sammeln sich durch den Ertrag immer mehr Nahrung kaufen kann als sie durch eine gleichwertige Arbeit auf dem Feld erlangen könnte, dann ist es für sie sinnvoller ihre Zeit mit Muscheln sammeln zu verbringen als auf dem Feld ihre Ernte abzuholen. Das gilt wie immer nicht nur für Sophie alleine, alle anderen Dorfbewohner hätten den gleichen Anreiz mehr Muscheln zu sammeln als ihre eigentliche Tätigkeit durchzuführen. Wenn dass passiert, dann ist das Geldsystem gestört und zerfällt durch Inflation. Inflation (lateinisch inflare: ausdehnen, aufblasen) bedeutet, dass die Geldmenge sich immer weiter vergrößert. Sophie und die anderen Dorfbewohner verbringen immer mehr Zeit damit, das Geld, also die Muscheln zu sammeln, sodass es im Dorf immer mehr Muscheln gibt mit denen gehandelt wird. Umso mehr Muscheln es aber gibt, desto unbeliebter werden diese als Tauschobjekt. Stellen wir uns das ganze überspitz einmal vor, das Dorf würde statt Muscheln Grashalme als Bezahlung wählen. Sophie bräuchte ein neues Dach und würde dem Dachbauer beim bezahlen schnell ein paar Grasbüschel aus dem Garten in die Hand drücken. Oder jemand will Kohlköpfe von Sophie haben und bückt sich beim Bezahlen nur kurz und rupft ein paar Grashalme aus um sie als Austausch zu geben. So ein Handel wäre nicht mehr wirklich fair weil der erhaltene Gegenwert, die Grasbüschel, nicht wirklich gleichwertig zu den nahrhaften Kohlköpfen oder der Arbeit des Dachdeckens wäre. Einfach nur Grashalme auszutauschen wäre kein Beweis mehr für einer entsprechenden Gegenleistung des Warenaustausches. Wenn es in dem Dorf also immer mehr Muscheln geben würde, dann würden diese Muscheln ihren Wert zunehmend verlieren und die Handelspartner würden immer mehr Muscheln für eine Gegenleistung verlangen um den Handel fair gestalten zu können. Umso mehr Muscheln Sophie also vom Strand sammelt, desto weniger kann sie sich davon langfristig eintauschen und irgendwann ist es doch wieder sinnvoller, sich die Nahrung vom Feld zu holen als neue Muscheln zu sammeln. Es entsteht somit immer ein Gleichgewicht zwischen Geldproduktion (oder Arbeit die in das Geldsystem fließt) und anderen Arbeitsleistungen im Dorf. Trotzdem dauert es einige Zeit, bis sich die Dorfbewohner auf eine veränderte Muschelmenge im Dorf anpassen. Es ist ja nicht so, dass Sophie bei jedem Kohlkopfverkauf alle Muscheln der Dorfbewohner zählen kann um ihren Preis in Muscheln angeben zu können. Muscheln können kaputt gehen oder werden am Strand neu gefunden und damit ändert sich die Gesamtmenge der Muscheln im Dorf immerwährend. Wenn sehr viele Muscheln neu in das Dorf kommen, dann dauert es eine weile bis die Dorfbewohner darauf reagieren und höhere Preise nehmen. Und genau das nutzen alle Menschen aus, die am Strand Muscheln suchen anstatt einer anderen Arbeit nachzugehen. Die Muschelsammler können ihre neuen Muscheln zum alten Preis verkaufen bis die Dorfbewohner auf die Flut an neuen Muscheln reagieren und ihre Preise anheben. Aber sie profitieren auch von jeder Muschel die kaputt oder verloren geht weil die Muschelsammler diese dann ersetzen können. Der Beruf des Muschelsammlers ist also nicht komplett unnötig für das Dorf, da sich die Dorfbewohner ja auf die Muscheln als Geld geeinigt haben. Aber gerade weil Muscheln so leicht zu finden sind sind sie ein relativ schlechtes Geld. Der Wert von Muscheln kann sich schnell ändern, je nachdem wie viele Menschen sich am Muschelsammeln beteiligen oder sogar Muschelfarmen im Wasser aufgebaut haben um das Geld gezielt zu produzieren. Ein zu großer Zustrom des Geldes führt zur Inflation und Entwertung des Geldes. Wenn Sophie also 100 Muscheln besitzt und sich für 10 Muscheln ein neues Kleid kaufen kann, und es zu einer Inflation kommt, dann muss sie für das neue Kleid vielleicht 15 Muscheln bezahlen. Aber alle anderen Preise gehen auch hoch, nur Sophies Besitz der 100 Muscheln bleibt. Über die Inflation wurde Sophie also effektiv von den Muschelsammlern beraubt, denn diese haben Werte für ihre Muscheln erhalten aber keine entsprechend produktive Arbeitsleistung im Dorf dafür erbracht. Diesen Machtverlust erkennt das Dorf über Zeit indem alle Dorfbewohner den Wert der Muscheln absenken. Alle Dorfbewohner die noch Muscheln besitzen verlieren also an Macht, genau die Macht, die die Muschelsammler vom Dorf eingenommen haben. Vor der Inflation konnte Sophie sich von ihren 100 Muscheln noch 10 Kleider kaufen, nach der Inflation sind es nur noch 6 bis 7. Der Wert von wenigstens 3 Kleidern ist an die Muschelsammler übergegangen ohne dass Sophie sich dagegen wehren konnte. Sophie wurden ihre Muscheln nicht gestohlen, sie hätte ihre Muscheln sicher unter der Feuerstelle vergraben haben können und trotzdem wurde sie durch die Inflation enteignet. Da so eine Inflation generell nichts schönes für die Menschen im Dorf ist, haben sich die Menschen dafür entschieden die leicht zu erstellenden Muscheln durch ein anderes Geld zu ersetzen: Die Münzen aus Metall. Der Wert des Geldes wird unter anderem dadurch bestimmt, wie viel Mehrwert diese Geld dem Dorf bringt. Eine Münze, mit der Sophie Stühle, Lebensmittel, Kleidung, Werkzeuge und andere Dinge kaufen kann ist somit generell wertvoller als z.B. eine Muschel mit der Sophie nur Milch kaufen kann weil der Milchbauer immer noch an dem alten Geld festhält. Metallmünzen waren aber deutlich schwieriger herzustellen als Muscheln zu suchen. Ersteinmal musste das Metallerz in der Erde, meist tief im Untergrund, gefunden werden und an die Oberfläche gebracht werden. Danach musste das Erz von andere Gesteinen getrennt werden und schlussendlich in eine handhabbare Form gebracht werden. Dieses Verfahren ist deutlich aufwendiger und erfordert deutlich mehr Arbeit als einfach Muscheln am Strand zu sammeln. Und deswegen war das Münzgeld auch deutlich wertvoller als die Muscheln. Aber auch das Münzgeld war nicht frei von Problemen. In Sophies wachsendem Dorf haben sich die Dorfbewohner darauf geeinigt dass sie eine Münzprägerei schaffen die diese Münzen herstellen darf. Diese Münzprägerei sollte mehr Stabilität in das Geldsystem des Dorfes bringen als es die Muscheln getan haben. Aber die Dorfbewohner mussten dieser Münzprägerei auch vertrauen dass die Münzen nicht missbräuchlich erschaffen wurden. Die Münzen selber waren in ihrer Eigenschaft als Geld zwar deutlich besser geeignet als die Muscheln es waren. Aber die Münzprägerei hatten nun das Monopol auf Geld, was natürlich ausgenutzt werden konnte. Beispielsweise konnte die Münzprägerei den Edelmetallanteil von neu geprägten Münzen absenken und sich somit Herstellungskosten einsparen. Die Münzprägerei macht dann damit Gewinn, dass sie vermeintlich wertvolle Münzen ausgibt, die aber nicht ihren versprochenem Gegenwert entsprechen. Das hat generell den gleichen Effekt wie eine Inflation. Sobald den Dorfbewohnern dieser Wertverlust der Münze auffällt werden sie ihre Preise in diesem Geld anheben denn der geringere Wert der Münze muss mit mehr Münzen bei einem Handel ausgeglichen werden. Damit sinkt aber wieder die Kaufkraft von Sophie, die mit 100 Münzen sich vorher wieder 10 Kleider kaufen konnte und nach der Inflation weniger. Diesmal ist der Wert aller Münzen der Dorfbewohner auf die Münzprägerei übergegangen. Wenn die Münzprägereien in der Hand von einzelnen wenigen Menschen ist, dann können diese über das Lenken der Geldeinheiten sehr viel Macht einsammeln. Macht die diese Menschen auch dafür verwenden können selber die Herrschaft über das Dorf zu erlangen. Deswegen ist es immer wichtig, dass die Dorfgemeinschaft solche Betrügereien schnell bemerkt und gegensteuert.
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