das Fiatgeld


Mit der Aussetzung des Goldstandards hat sich das Geldsystem grundlegend geändert auch wenn diese Änderungen unter der Haube passiert sind und somit nicht großartig von den Menschen wahrgenommen wurden. Diese Änderung könnte man damit vergleichen, wenn Sophie jahrelang ein Dieseltraktor benutzt hat um auf ihrem Feld zu arbeiten und über Nacht der Motor durch einen Elektromotor ausgetauscht wird. Der Traktor funktioniert immer noch genauso, die Hebel und Knöpfe verhalten sich genauso wie vorher. Aber trotzdem ist etwas fundamental anders am Traktor. Genauso verhielt es sich mit der Umstellung des Geldsystems. Die Menschen hatten immernoch ihr Bargeld, mit dem sie wie gewohnt Handel betreiben konnten. Die Menschen konnten ihr Geld immernoch zur Bank bringen oder Kreditgeschäfte tätigen. Und Trotzdem behaupte ich dass das Geldsystem sich fundamental geändert hatte.

Der fundamentale Unterschied besteht jetzt darin, dass die Bank von Sophie bei einem Kredit das Geld nicht vorrätig haben muss um Sophie den Kredit aushändigen zu können. Die Bank kann, mit gewissen Limitierungen, das Geld für Kredite einfach mit dem Kreditvertrag erstellen. Dieses Geld entsteht dabei sozusagen aus dem Nichts, repräsentiert aber als Geld aufeinmal einen Wert. Intuitiv widerspricht diese Aktion auf einmal der Machterhaltung, die wir in den vorherigen Kapitel als fairen Tauschhandel bezeichnet haben und deswegen gibt es auch vielfältige Reaktionen: Von unfaires Geldsystem bis ignorieren der Widersprüche aus Gewohnheit sind viele Verhaltensweisen möglich. Nicht ohne Grund verstehen viele Menschen das Geldsystem nicht und denken, dass die Kredite der Bank, wenn schon nicht durch Gold dann wenigstens durch die Einlagen und Bankkonten der Sparer gedeckt sind. Das ist aber nicht unbedingt der Fall. Aber bevor wir weiter über das System urteilen, schauen wir uns doch ersteinmal genau an, wie das Bankensystem nun funktioniert und was sich im Vergleich zum Goldstandard geändert hat.

Das Fiat-Geldsystem

Das Wort "Fiat" kommt aus dem Lateinischen und bedeutet so viel wie "erzeugt werden" oder "erstellt werden". Das soll andeuten, dass das Geld sehr einfach und ohne große Kosten von den Banken erschaffen werden kann. Im Kapitel des Goldstandards haben wir festgestellt, dass Geldsysteme mit der Zeit immer weiter abwerten und die Papierzettel eine Folge dieser Abwertung ist.

Anstatt dass die Bank also wirkliche Gegenwerte wie Goldmünzen ausgibt erstellt sie Zertifikate, Wertpapiere oder einfach nur unterschriebene Papierzettel und gibt das Versprechen aus, dass diese Papierzettel jederzeit gegen wirkliche Gegenwerte eintauschbar sind. Solange die Bank dieses Versprechen auch einhalten kann, solange haben die Papierzettel auch wirklich den genannten Gegenwert. Das Problem dabei ist, dass man der Bank vertrauen muss, dass sie die versprochenen Gegenwerte auch wirklich besitzt und physikalisch herausgeben kann. Anhand historischer Bankenkrisen wissen wir, dass Banken gerne einmal mehr dieser Zettel ausgeben als sie später zurückzahlen können gerade weil die Bank diese Zettel so leicht erstellen kann aber die entsprechenden Gegenwerte wie Goldmünzen deutlich aufwändiger zu beschaffen sind. Anhand dieser Unterschiede in der Machtbewertung erkennt man schon, dass es für die Bank eben Vorteile bringt, wenn sie die Sachwerte der Menschen einbehalten kann und im Gegensatz einfach nur ein Papier ausgeben muss.

Die permanente Umtauschbarkeit der Papierzettel in Gold zu garantieren zwingt die Bank auch permanent diese Gegenwerte wirklich Vorrätig zu haben um sie im Notfall bei Bedarf an die Menschen ausgeben zu können. Kann die Bank ihre eigene Papierwährung nicht mehr in Wertgegenstände umtauschen, dann verlieren die Menschen das Vertrauen in die Versprechen des Papiers. Und das bedeutet sie bewerten das Papier auch geringer. Mit der Aufhebung des Goldstandards fällt dieser Zwang zur Umtauschbarkeit jedoch weg. Für die Banken ist das gut weil sie somit das Gold nicht mehr hinterlegen müssen. Aber alles was für die Banken gut ist, das ist für die Menschen nachteilig. Die Menschen verlieren damit ihr Recht das Geld in Gold umtauschen zu können. Diese kleine Änderung im Geldsystem ist somit nicht sofort aufgefallen weil die Menschen nicht immer sofort ihr Geld in Gold umtauschen wollen. Außerdem konnten sie ja immernoch Gold bei einem Händler kaufen, wenn sie es wollten. Nur die Bank hat es nicht mehr automatisch hinterlegt um ihre Geldscheine mit entsprechenden Gegenwerten zu decken.

Kredite im Fiatgeldsystem

Während im echten Goldstandard die Bank echte Goldmünzen auszahlen musste, wenn Sophie ihr Guthaben aus der Bank holen wollte, so muss die Bank in einem Fiat-Standard ersteinmal keine wirklichen Gegenwerte mehr herausgeben. Das Geld entsteht in diesem System dadurch, dass Menschen wie Sophie oder auch Firmen einen Kredit haben wollen. Nehmen wir wieder einmal an, dass Sophie 1000€ mehr von der Bank benötigt, als Sophie an Guthaben besitzt. Sophie geht also zur Bank und schließt einen Kreditvertrag mit der Bank ab. Vor dem Vertragsabschluss ist ihr Girokonto leer, in dem Kassenbuch der Bank steht also genau 0€ für Sophie drin. Nach dem Vertragsabschluss hat Sophie ein weiteres Konto, das Schuldenkonto. In dem Kassenbuch der Bank steht jetzt Sophies Girokonto: 1000€ mit dem sie beliebige Dinge anstellen kann und ihr Schuldenkonto -1000€. Die negative Zahl deutet an, dass Sophie dieses Geld nicht hat sondern zurückzahlen muss. Es ist somit das Versprechen von Sophie, die Schulden irgendwann einmal zu begleichen. Sophie hat mit dem Kredit genauso viel Macht wie vor dem Kredit, sie bekommt die 1000€ als Guthaben aber geht gleichzeitig die Verpflichtung ein, irgendwann wieder 1000€ zurückzuzahlen. Vor dem Kredit hat sie insgesamt 0€ und nach dem Kredit hat sie 0€, die sich auf +1000€ Guthaben und -1000€ Schulden zusammensetzen.

Wenn man sich nur Sophies Girokonto anschaut, dann stellt man fest, dass aus den 0€ auf einmal mit dem Kredit 1000€ geworden sind. Und weil das Geld nicht mehr Goldgebunden ist, wurde dieses Geld aus dem Nichts geschaffen. Mit der einfachen Gleichung 0€ = 1000€ - 1000€ wurde aus den 0€ auf einmal Geld, mit dem Sophie Handel betreiben kann und sich beliebige Dinge kaufen kann. Diese 1000€ Basieren nicht mehr darauf, dass für dieses Geld reale Arbeit geleistet wurde sondern lediglich auf den Versprechungen, dass Sophie dieses Geld irgendwann einmal wieder zurückzahlt. Aus diesem Grund nennt man dieses System auch Fiat-Geld. Angelehnt an dem berühmten biblischen Ausdruck "fiat lux": es werde Licht, bedeutet Fiatgeld einfach, dass dieses Geld aus dem nichts erstellt wurde was bedeuten soll, dass diesem Geld so gut wie kein intrinsischer Wert der Herstellung innewohnt. Im übertragendem Sinne nimmt die Bank also ein Stück Papier, schreibt darauf, dass es 1000€ wert ist und tauscht diesen Zettel dann gegen andere Waren oder Dienstleistungen ein, die wirklich den 1000€ entsprechen.

Ganz kostenlos ist dieser Kreditvorgang natürlich nicht. Auch die Bank muss den Kredit verwalten und hat Ausgaben für ihr Personal, Stromrechnung usw. Auch im Fiatgeldsystem möchte die Bank natürlich für die Ausgabe des Geldes eine Gegenleistung haben. Sophie muss deswegen auch im Fiatstandard Zinsen dafür bezahlen, dass sie dieses Geld von der Bank bekommt. Wenn die Zinsen z.B. 5% pro Jahr betragen, dann muss Sophie nach einem Jahr nicht nur die 1000€ zurück geben sondern auch weitere 50€ als Gebühr für das Leihen des Geldes bezahlen.

Die Bank schreibt den Kreditvorgang von Sophie also in ihre Kassenbücher und erzeugt alleine damit schon neues Geld. Gerade wenn es reines Buchgeld ist hat die Bank extrem wenig kosten für diese Verwaltung und kann somit auch von geringeren Zinsen leben. Sollte sich Sophie von dem Geld z.B. einen neuen Traktor kaufen und der Traktorhändler sein Konto bei der gleichen Bank haben, dann reicht es völlig aus, wenn dieses Geld nie in der realen Welt existiert sondern lediglich virtuell in den Büchern der Bank verschoben wird. Sophie bekommt dann ihren Traktor und die Schuld der Bank 1000€ zurückzuzahlen. Der Traktorhändler verliert seinen Traktor aber bekommt dafür die 1000€ als Gutschrift auf seinem Bankkonto, die er beliebig ausgeben kann. Und die Bank macht lediglich ein paar Bucheinträge und verdient langfristig die 50€, die Sophie als Zinsen bezahlen muss. Das Geld muss die Bank erst wirklich haben und ausgeben wenn der Traktorhändler es ausgezahlt haben will. Das muss aber nicht der Fall sein weil auch der Traktorhändler seine Geschäfte wie Sophie komplett über die Bank abwickeln kann.

Diese Kreditgeschäfte würden so exakt genauso auch im Goldstandard funktionieren. Es würde nur einen Unterschied zu dem Zeitpunkt geben, wo die Bank wirklich das Geld real auszahlen muss. Denn dann kann sie ohne Goldstandard einfach ihre Zettel ausgeben anstatt wirklich wertvolle Dinge wie Goldmünzen abgeben zu müssen. Selbst in einem Defakto-Goldstandard ist diese Ausgabe schon abgeschwächt weil der Bankkunde dann entscheiden kann, was er lieber haben will, das leichte Papier oder das wertvolle aber schwere Gold. Mit der Abschaffung des Goldstandards können die Bankkunden kein Gold mehr bekommen sondern müssen sich zwangsweise mit dem Papier und dem Versprechen der Werthaltigkeit begnügen.

Genauso wie Sophie mit ihrem Guthaben vom Girokonto beliebige Dinge wie einen Traktor kaufen kann, so kann auch die Bank mit den -1000€ Schulden von Sophie weiter Handel betreiben. Denn nach dem Kreditvertrag muss Sophie über Zeit die Schulden wieder zurückbezahlen, was bedeutet dass die Bank einen Anspruch auf dieses zukünftige Vermögen von Sophie hat. Und diese Ansprüche kann die Bank als Besitz auch weiter verkaufen und z.B. von anderen Banken als Zahlungen für weitere Dienstleistungen oder Bankgeschäfte anerkennen. Solche Bankgeschäfte tauchen natürlich nicht in der Kontoübersicht von Sophie auf sondern in den Bilanzen der Bank selber. Dieses Geld aus dem Nichts ist also sehr viel vielseitiger als wenn man immer nur mit dem Guthaben Handel betreibt. Es erlaubt auch den Handel mit Schulden. Deswegen wird dieses Geld auch gerne als Schuldgeld bezeichnet, weil es immer nur dann entstehen kann, wenn irgendwer Schulden macht.

Im Fiat-Geld gilt immer das Prinzip: das Guthaben des Einen ist die Schuld des Anderen und deswegen gibt es immer so viel wirkliches Geld wie es Schulden gibt. Diese Betrachtungsweise ist jedoch sehr neu und schwierig zu begreifen für Menschen, die das Geldsystem noch aus den Zeiten des Goldstandards kennen. Auch da gibt es natürlich Schulden, aber das meiste Geld ist wirkliches Guthaben weil es realer Arbeit gegenübersteht und nicht einfach nur irgendwelchen Versprechungen. Und das Problem an Versprechungen ist eben, dass diese jederzeit beliebig gebrochen werden können während die Arbeit real geleistet worden sein muss um solche Gegenstände wie eine Goldmünze herstellen zu können.

Genauso wie die Bank das verliehene Geld einfach mit einem Kredit erstellen kann, so vernichtet sie dieses Geld wieder, wenn Sophie den Kredit zurückzahlt. Sophie hat also 1000€ Kredit aufgenommen und muss 5% Zinsen zahlen, sodass sie nach einem Jahr um diese Summe ärmer geworden ist aber dafür durfte sie ja ein Jahr lang diese 1000€ behalten und damit tun und lassen, was sie wollte. Aus den 0€ = 1000€ - 1000€ werden nach einem Jahr -50€ = 1000€ - 1050€. Das sind die 50€ Zinsen, die Sophie zahlen muss und ihre Schuld wird somit größer. Wenn Sophie also nach einem Jahr 500€ zurückzahlt, dann verringert sie ihren Kredit mit ihrem Guthaben. Die Bilanz von Sophie sieht dann so aus: -50€ = 500€ - 550€. Mit der Rückzahlung wurde also das neu erschaffene Geld wieder vernichtet weil die Zahlenwerte im Kassenbuch wieder geringer geworden sind. Sobald Sophie ihren kompletten Kredit zurückgezahlt hat kann die Bank das Schuldenkonto von Sophie schließen. Das vormals für diesen Kredit erstellte Geld wurde also mit der Rückzahlung komplett wieder vernichtet, aber die Bank ist um die 50€ Zinsen reicher geworden während Sophie genau diese 50€ verliert. Insgesamt war das Geld und damit auch die entsprechende Macht in dem System erhalten, das nur Sophie und die Bank betrachtet. Mit der Kreditaufnahme wurde Geld erstellt, das wieder vernichtet wurde als der Kredit zurückgezahlt und die Schuld beglichen wurde. Dabei gab es einen Machtfluss von Sophie zur Bank weil Sophie eine Dienstleistung in Anspruch genommen hat.

falsche Argumente gegen Fiat

Auch in einem Fiatgeldsystem ist der Austausch der Machtwerte also ersteinmal fair gestaltet und unterscheidet sich śomit nicht offensichtlich von einem Goldstandard. Das Grundproblem liegt in der Verschiebung der Wertbindung von einem harten Nachweis der Arbeit, die somit eine stabile Bewertungsgrundlage bietet auf eine vertrauensbasierte Bewertung, dass die Bank die versprochene Gegenleistung schon erbringen wird. Solange die Banken also faire Handelsverträge machen, ihre Versprechen immer einlösen können und vorallem wenn diese Versprechungen wertstabiel bleiben solange bleibt auch das Fiatgeldsystem ein faires Geldsystem. Damit gibt es ersteinmal keine Notwendigkeit, dass dieses System zwangsweise immer entwerten muss aber die Möglichkeit dafür ist natürlich gegeben.

Ein weit verbreitetes Argument von Kritikern ist, dass Fiatgeld eine unfaire Methode der Bank ist, weil sie einfach Geld und somit Macht aus dem Nichts erstellen kann. Auf dem ersten Blick sieht es tatsächlich auch so aus. Denn wie wir mit Sophies Kredit gesehen haben geht so ein Kredit immer zulasten des Kreditnehmers und bevorzugt die Banken. Aber wir haben hier explizit nur das Kreditgeschäft zwischen Sophie und ihrer Bank betrachtet. Die Bank hat eine Dienstleistung vollbracht, das Geld erstellt und Sophie zur Verfügung gestellt. Diese Dienstleistung wird vergütet und bringt der Bank in diesem Beispiel 50€ Gewinn ein. Sophie macht aber diesen für sie schlechten Handel nicht ohne Hintergedanken. Denn warum sollte sie sich Geld leihen um dieses Geld Jahre lang einfach nur rumliegen zu lassen wobei dadurch die Zinskosten anfallen? Das würde keinen Sinn ergeben, wenn Sophie das Geld nicht irgendwann in der Zwischenzeit für andere Dinge wie den Traktor benötigt hätte.

Sophie benutzt also ihr Kreditgeld, sie betreibt mit anderen Personen Handel und sie kann arbeiten um weitere Macht anzusammeln, die sie der Bank im Austausch für den Kredit geben kann. Ob der Kredit sich für Sophie also gelohnt hat hängt wenigstens davon ab, wie dringend sie das Geld benötigt hat und wie schwierig es für sie ist das verlorene Geld wieder zu erarbeiten, dass sie für die Zinsen ausgegeben hat. Es könnten aber auch beliebige andere Faktoren mit berücksichtigt werden, die nur Sophie alleine kennt und ihre Handlungen lenkt. Wenn diese beliebigen anderen Handlungen die Kosten von 50€ rechtfertigen und vielleicht sogar übertreffen, dann hat sich der Kredit sogar für Sophie gelohnt obwohl sie dafür Geld verloren hat, das jetzt der Bank zusteht. Wenn sich Sophie mit diesem geliehenem Geld also den Traktor kaufen würde und somit deutlich schneller und mehr Erträge von ihrem Feld hohlen kann als ohne Traktor, dann ist es leicht ersichtlich, dass sie mit dem Traktor deutlich mehr Geld durch ihre Ernte bekommt als sie der Bank an Zinsen übergeben muss. Also auch wenn Sophie dann insgesamt etwas Geld an die Bank zahlen muss kann Sophie mit dem Kredit besser dastehen als wenn sie dieses Kreditrisiko nicht eingegangen wäre und somit das Feld ohne Traktor hätte ernten müssen. Der reine Kreditvorgang ist auch mit einem Fiatgeldsystem bezüglich den Machtverhältnis als ausgeglichener Handel anzusehen und somit ein fairer Machtaustausch zwischen Sophie und der Bank. Wenn Sophie es schafft ihre Schulden zurückzuzahlen, dann wird die Schuld komplett zusammen mit dem Geld wieder vernichtet, auch wenn sie mehr zurückzahlen muss, als sie sich an Geld geliehen hat. Diese zurückgezahlte Macht muss auch nicht in der Geldform geschehen, die mit dem Kredit erschaffen wurde.

Denn ein weiteres Gegenargument gegen das Schuldgeld ist, dass es mit der Zeit zwangsweise immer mehr davon geben muss. Dies ist ein relativ einleuchtendes Argument, denn aus den Zinsen folgt ja eine Umverteilung zu den Banken. Dabei wird aber oft vergessen, dass die Kredite ja wirklich eine Dienstleistung sind und somit auch vergütet werden müssen um einen fairen Handel darstellen zu können. Gäbe es keine Zinsen, dann würde so ein Kredit immer zulasten der Banken gehen, die das Risiko des Geldes trägt obwohl ein Anderer das Geld verspielen kann. Zinsen zu verbieten würde also dafür sorgen, dass es keine relevanten Kredite mehr geben wird weil sich keine Bank diese Negativgeschäfte mehr leisten könnte.

Dann argumentieren die Kritiker weiter, das die Kredite zwangsweise immer größer werden müssen und somit in einem exponentielles Wachstum übergehen müssen. Auch diese Argumentation klingt auf dem ersten Blick schlüssig gerade weil am Ende eines Kredites immer eine Schuld übrig bleibt, nämlich genau die 50€ Zinsen, die Sophie mehr zurückzahlen musste als sie sich geliehen hat. Denn stellt man sich den Kredit von Sophie als den allerersten Kredit der Geschichte vor, dann existiert vor dem Kredit noch kein Geld. Nach dem Kreditvertrag existieren die 1000€ Guthaben und 1000€ Schulden. Auf der gesamten Welt existieren also nur genau diese 1000€, wie soll Sophie dann nach einem Jahr die 1050€ zurückzahlen? Die 50€ gibt es ja nicht und können nur durch einen weiteren Kredit erstellt werden. Für jeden weiteren Kredit fallen aber wiederum Zinsen an sodass es eine immer größer werdende Spanne zwischen vorhandenem Geld und Schulden gibt, die Jahr für Jahr mit den Zinsen steigen was einem exponentiellem Wachstum entspricht. Es entsteht somit immer weiter neues Geld um die aufkommenden Zinsen bezahlen zu können was aber gleichzeitig dafür sorgt, dass immer mehr Zinsen bezahlt werden müssen. Mit jedem weiteren Kredit, den Sophie oder irgendwer Anderes aufnimmt, wird die Geldmenge somit immer größer weil somit nie die Zinsen beglichen werden können. Der Schuldenberg der Menschheit wächst dadurch unaufhaltsam an, nur weil es Zinsen gibt.

Diese Argumentationskette klingt zwar plausibel und gerade bei einem in unserer Gesellschaft beobachtbaren exponentiellem Geldwachstum ist es ein leichtes Argument gegen das Schuldgeld, aber diese Argumentation vernachlässigt einige wichtige Aspekte und ist somit nicht korrekt. Gerade weil dieser Handel des Kredites ein fairer Machtaustausch ist, kann es kein inflationärer Teufelskreis sein. Es stimmt zwar, dass wenn Sophie den aller ersten Kredit aufnimmt das sie insgesamt mehr von diesem Geld zurückzahlen muss als es in diesem Geld überhaupt gibt. Aber dieses scheinbare Paradoxon kann aufgelöst werden, wenn man bedenkt, dass die Schulden nicht auf einem Schlag zurückgezahlt werden müssen oder in anderer Form als dem Geld der Bank geleistet werden kann. Denn wie schon erwähnt lässt Sophie das Geld ja nicht einfach auf der Bank liegen und sammelt die Schulden auf ohne was dagegen zu unternehmen. In der Zwischenzeit kann Sophie trotzdem weiteren Machtaustausch mit anderen Menschen vollziehen, vorallem mit der Bank selber, von der sie den Kredit genommen hat.

Einerseits kann Sophie diese Schulden also auch mit einer anderen Machtform bezahlen. Also selbst wenn es der allererste Kredit ist und Sophie das Geld nicht mehr zurückzahlen kann, weil ihre Geschäfte nicht so gut liefen und sie die 1000€ einfach nicht mehr einsammeln kann, dann kann Sophie die Schuld gegenüber der Bank auch einlösen, indem sie z.B. ihr Bauernhaus an die Bank übergibt. Natürlich wäre das Schmerzhaft für Sophie aber alleine die Möglichkeit so zu handeln beweist, dass das Fiatgeldsystem nicht zwangsweise zu immer mehr Krediten führen muss. Kredite können eben auch in anderer Form abgebaut werden als in der Geldform des Kredites. Sophie kann somit einen Kredit sofort einlösen auch wenn das Geld für die Schulden nie existiert hat.

Andererseits muss ein Kredit ja auch nicht auf einem Schlag zurückgezahlt werden sondern Sophie kann regelmäßig Geld durch ihre Arbeit einnehmen und dieses Geld der Bank zurückzahlen um ihre Schulden Stück für Stück zu reduzieren. Auch so kann Sophie langfristig ihre Schulden begleichen auch wenn nie so viel Geld existiert hat wie sie zurückzahlen musste. Wenn also wieder nur die 1000€ von Sophies Kredit existieren, dann kann Sophie der Bank jede Woche einen Kohlkopf verkaufen und damit ihre Schulden reduzieren. Sie gibt der Bank also einen Kohlkopf und bekommt dafür z.B. 2€. Dieses Geld kann sie wiederum benutzen um ihren Kredit zu reduzieren. Das Geld für diesen Handel muss nichteinmal real existieren, Sophie kann auch den Kohlkopf abgeben und die Bank schreibt den Betrag von 2€ gleich in ihre Bücher. Ihre Schuld wird somit also auch geringer, wenn das Geld selber zur Begleichung nie real existiert hat sondern nur virtuell als Zwischenzahlungsmittel zwischen zwei verschiedenen Handel existiert, der Verkauf des Kohlkopfes und die Reduzierung der Schulden.

Auch in einem harten Geld wie einem Goldstandard würde dieses Argument funktionieren. Denn leiht sich Sophie hypothetisch 1000 Goldmünzen obwohl in ihrem gesamten Dorf nur genau diese 1000 Goldmünzen existieren, dann muss sie vielleicht nach einem Jahr 1050 Goldmünzen zurückzahlen obwohl es nur diese 1000 Goldmünzen gibt. Auch das kann problemlos funktionieren, indem sie z.B. beginnt ihre Schuld mit 2 Goldmünzen zurückzuzahlen. Dann hat sie zwar nurnoch 998 Goldmünzen im Besitz aber auch nurnoch 1048 Goldmünzen an Schulden. Dafür kann sie jetzt jede Woche einen Kohlkopf an die Bank für zwei Goldstücke verkaufen. Mit dem ersten Verkauf hätte Sophie also wieder alle 1000 Goldmünzen aber ihre Schulden wären unverändert reduziert auf 1048 Goldstücke. Das gleiche Spiel kann sie jetzt beliebig oft wiederholen bis ihre Schulden bezahlt sind. Mit jedem Verkauf bekommt sie also wieder 2 Goldstücke die sie sofort wieder abgeben kann um ihre Schulden zu reduzieren. Und durch diese Aufteilung kann sie theoretisch immer beliebig hohe Schulden zurückzahlen, auch wenn insgesamt nie so viel Geld real existiert hat. Die Schulden wurden also in einer anderen Machtform beglichen als das Geldsystem es darstellt und somit funktioniert das Prinzip generell.

Da Sophie durch Kredite direkt an Macht verliert, die als Austausch für die Dienstleistung an die Bank übergeht, gibt es nur zwei Möglichkeiten, wie so ein Kreditvertrag ausgehen kann. Entweder Sophie schafft es den Kredit zurückzuzahlen, dann musste sie in der Zwischenzeit auf irgendeiner Art und weise Geld verdient haben, wie z.B. durch Arbeit, Erbschaften, Spenden oder sogar durch Diebstahl. Mit diesem eingenommenem Geld kann sie dann ihre Zinsschuld begleichen. Sollte Sophie es aber nicht schaffen ihre Schulden zurückzuzahlen, dann könnte Sophie versuchen einen neuen Kredit aufzunehmen um ihre Schuld somit noch weiter zu vergrößern und die Geldmenge weiter auszudehnen. Alternativ bleibt die Bank auf den Kreditschulden sitzen. Die Bank hat dann weiterhin ihr negatives Guthaben aber verliert den Anspruch darauf, dass Sophie ihre Schulden zurückzahlt. Inwieweit die Bank dann rechtliche Schritte einleiten kann oder mit dem Verlust leben muss hängt von der Rechtslage und den Regeln ab, die sich die Gemeinschaft von Sophie und ihrer Bank selber gegeben haben. Auch wenn Sophie stirbt oder untertaucht und ihren Besitz mitnimmt verliert die Bank die Garantie, dass die Schulden zurückgezahlt werden. Denn was dabei passiert ist, dass Sophie die Machtwerte der Bank behält aber unerlaubt die Schuld verliert diese Machtwerte wieder zurückzuzahlen. Sophie würde mit so einem Schritt sehr viel Macht gewinnen was aber ein Angriff auf die Macht der Bank wäre und somit eine Kriminelle Handlung, die von der Gemeinschaft verfolgt und Bestraft werden muss. Die Bank würde in diesem Fall ihre Forderungen nicht mehr zurück bekommen und somit an Macht verlieren.

Dieses Risiko muss die Bank bei jedem einzelnem Kredit eingehen und deswegen bestimmen die Banken immer erst das Ausfallrisiko, bevor sie irgendwelchen Akteuren wie Sophie Geld verleihen. Wenn Sophie also zu viele Schulden hat, dann wird die Bank misstrauisch weil sie befürchtet, dass Sophie nie wieder in der Lage sein wird die Schulden zurückzahlen zu können und die Bank für all diese entstandenen Kosten aufkommen muss. Zu viele Kreditausfälle kann sich auch eine Bank nicht leisten, die selber als Organismus überleben will.

Es gibt also ersteinmal keinen offensichtlichen Zwang, dass so ein Kredit immer weiter ausgedehnt werden muss. Das Schuldgeldsystem ist also nicht die Ursache, dass es immer mehr Schulden heutzutage gibt weil die Schulden immer davon abhängen, wie weit die Banken den Menschen vertrauen, also wie Kreditwürdig die Bankkunden sind und wie weit die Menschen der Bank vertrauen, also dem ausgegebenem Wert des Geldes und den Kassenbüchern der Bank. Das Problem ist also, dass das Fiatgeldsystem wieder auf eine Vertrauensbasis zurückfällt, dass eben leichter ausgenutzt werden kann als wenn das Vertrauen an eine physikalische Größe wie Gold gebunden ist.

Aber auch im Fiatsystem muss das Geldsystem nicht komplett auf Vertrauen beruhen, sondern kann im Einzelfall mit realen Gegenständen abgesichert sein. Banken könnten sich nämlich gegen ein Ausfall des Kredites auch absichern. Zum Einen können sie höhere Zinsen verlangen sodass zahlungsfähige Kreditkunden die Zahlungsausfälle begleichen. Dann Verliert die Bank zwar einige Ansprüche bei einem Kreditausfall, die aber durch die Profite der anderen Kreditgeschäfte gegenfinanziert werden. Die Banken können aber auch Sicherheiten von den Kreditnehmern einfordern, wie z.B. das Pfänden des Hauses oder anderer Wertsachen, die im Falle eines Zahlungsausfalles in den Besitz der Bank übergehen. Kredite stehen also auch in einem Fiatgeldsystem immer einem Gegenwert gegenüber, entweder der Verpflichtung oder Versprechung, dass der Kredit zurückgezahlt wird oder abgesichert durch Sachwerte wie Firmenanteile, Goldbestände oder Immobilien. Der Zwang der Goldabsicherung im Goldstandard wird also nicht komplett abgeschafft sondern kann jetzt auf freiwilliger Basis passieren. Und genau das ist der Grund, warum das Fiatsystem auch nach dem Ende des Goldstandards weiter relativ gut funktionierte. Das Geld kann zwar aus dem Nichts entstehen, ist aber im Normalfall genauso abgesichert wie im Goldstandard, nur eben nicht ausschließlich mit Gold sondern diese Sicherung kann jetzt alles sein, worin sich die Menschen einig sind, dass es einen Wert hat. Und auch ein Versprechen als Sachwert muss nicht wertlos sein, gerade wenn es von einer großen Bank oder sogar vom Staat kommt.

Schon alleine weil die Bank ein Akteur ist, der im Normalfall ein Überlebenswillen hat und somit immer mehr Macht einsammeln muss als die Bank ausgibt, hat sie ein Eigeninteresse, dass Ausfallrisiko eines Kredites zu bestimmen und entsprechende Sicherheiten einzufordern. Auch der Kreditnehmer ist ein Akteur und die Interaktion mit der Bank läuft also auf einen Machtkampf hinaus, der nur freiwillig von beiden Seiten eingegangen wird, wenn beide einen Vorteil in dem Handel sehen, der somit relativ fair für beide Seiten sein muss. Also sowohl die Bank muss an dem Kredit profitieren als auch der Kunde.

Die Banken erhalten also zwar Macht durch die Kreditgeschäfte, aber für die Bereitstellung dieser Kredite müssen auch sie ein wenig Macht ausgeben und auch die Banken haben weitere Ausgaben, die bezahlt werden müssen wie Mitarbeiter, Immobilien, Stromkosten, Recheneinheiten usw. Damit verteilt sich die durch die Kredite eingenommene Macht wieder in der Gemeinschaft und bleibt nicht zwangsweise bei den Banken. Auch die Kreditgeschäfte in einem Fiatstandard sind nur ein Teil eines Wirtschaftskreislaufes, der problemlos funktioniert solange alle beteiligten Akteure ihren Machtaustausch gleichberechtigt und fair gestalten. Gerade weil das Geld aus dem Nichts entsteht kann es beliebig ausgeweitet werden aber das bedeutet nicht, dass es zwangsweise beliebig so ausgeweitet werden muss weil es mit dem zurückzahlen der Kredite auch immer wieder vernichtet wird.

Die unlimitierte Geldmengenausweitung, die wir in unserem aktuellem System beobachten können, hat tiefere Ursachen als das einfache Kreditsystem. Individuell haben wir am Beispiel von Sophie gezeigt, wie so ein Kredit funktioniert und warum dieser Vorgang relativ fair für alle beteiligten Akteure ist, selbst wenn die ausgetauschten Werte nicht mehr Goldgebunden sind. Umso mehr Menschen diesen Vorgang durchführen, desto statistischer wird das Bild: Jederzeit werden neue Kredite aufgenommen und alte Kredite zurückgezahlt. Die Menge an Geld in der Bevölkerung schwankt also mit der Zeit. Zahlen mehr Menschen den Kredit zurück, dann sinkt die Geldmenge und nehmen mehr Menschen einen Kredit auf, dann steigt die Geldmenge. Das System bietet auf dieser ebene keinen Grund, warum das Geld immer mehr werden muss.

Wie viel Geld aber insgesamt in den Umlauf gebracht wird hängt entscheidend von den Zinsen auf das Geld ab, also wie teuer es ist sich dieses neu erstellte Geld zu leihen. Je höher die Zinsen sind, desto teurer werden Kredite. Teurere Kredite bedeutet, dass sich die Marktteilnemer besser überlegen ob es sich lohnt den Kredit aufzunehmen oder nicht. Wenn Sophie z.B. ihren Bauernhof ausbauen will, dann macht es einen Unterschied, ob der Kredit 1% oder 20% des Geldes kostet. Denn wenn die Anschaffungskosten ihren Ertrag um vielleicht 8% steigert, dann würde sie mit dem Kredit von 1% Gewinn machen und mit einem Kredit von 20% Verlust. In beiden Fällen würde sie mit dem Kredit ihre Erträge steigern, aber je nachdem, wie viel ihr die Bank für den Kredit wieder wegnimmt macht es eben mehr oder weniger Sinn diese Investition zu tätigen. Muss Sophie also nur 1% an die Bank abgeben, dann lohnt sich der Ausbau und sie kann sich relativ schnell dafür entscheiden. Muss sie aber 20% bezahlen, dann lohnt sich der Ausbau nicht weil er insgesamt mehr Kosten verursachen würde als er wieder einbringt. Das bedeutet nicht, dass Sophie diesen Ausbau nicht trotzdem machen könnte, wenn sie bereit ist diesen Verlust zu verkraften oder wenn weitere Beweggründe mit in diese Abwägung hineinfließen, die rechtfertigen können dass sie insgesamt weniger Geld hat als vorher. Das könnte einfach ein schöneres Lebensgefühl oder bessere Nahrungsqualität sein. Deswegen kann man immer nur tendenzielle Schlussfolgerungen schließen, die im Einzelfall immer gebrochen werden können aber über viele Menschen eben eine Tendenz abbilden.

Niedrige Zinsen bedeutet, dass das Geld billig wird. Jeder kann es sich somit relativ einfach leihen und somit haben auch viele Menschen einen Anreiz das zu machen. Damit steigt aber großflächig auch die Geldmenge an weil es mehr Kredite gibt. Ist der Zins aber zu hoch, dann werden mehr Menschen versuchen ihr Geld wieder zurückzuzahlen und die Zinsschulden so gering wie möglich zu halten. Mit einem hohen Zins sinkt also tendenziell die Geldmenge wieder ab.



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Letztes Update: 03.Oct.2024